hohes haus am meer

h o h e s     h a u s     a m     m e e r

Studie eines Einfamilienhauses in Aschhausen / Bad Zwischenahn / DE. Zusammen mit Susanne Lüschen Architektin RWTH SIA, Oktober 2022.

Stadt Land Meer

Die Landschaft ist flach und weit, Bad Zwischenahn bei Oldenburg im Norden Deutschlands. Man fährt an grossen Pflanzplantagen vorbei, durch gewachsene, alte Dörfer mit Gehöften und Scheunen. Lange Strassen, gesäumt von grossen Bäume, eine alte Dorfstrasse fährt zum Baugebiet. Das vorherrschende Baumaterial ist hier rötlich brauner Ziegelstein, der hier eine lange Tradition hat. Hier liegt das Dorf Aschhausen unmittelbar am Zwischenahner Meer, welches den grössten See der näheren Umgebung und die grösste räumliche und landschaftliche Identität bildet.

Das neu erschlossene Baugebiet mit 73 neuen Bauparzellen liegt inmitten von Baumschulen und erweitert das bestehende Dorf um ca. 1/5 Grösse. Das zu bebauende Grundstück des Hauses liegt auf knapp 8m über dem Meeresspiegel. 

Die Häuser, die hier erstellt werden, müssen innerhalb der nächsten 2 Jahre bebaut sein. Die Grundstücke sind vergünstigt und sind jungen Familien aus der Region vorbehalten. Die Parzelle liegt an einer Kreuzung und muss von Westen her erschlossen werden. Die umliegenden Gebäude sind teilweise schon fast fertig gestellt und spiegeln den Traum vom Eigenheim in allzu beliebiger Weise wieder. Es wird grösstenteils so gebaut, als gäbe es kein Morgen mehr und die zu verbrauchenden Ressourcen wären endlos. 

Der gute Boden

Boden ist ein seltenes Gut. Ihn zu bebauen bedarf ein verantwortungsbewussten Umgang mit diesem, zumal es eine grüne Wiese ist und dieser unbebaut ist. Die heutige Situation der Weltwirtschaft zeigt, dass kostbarer, fruchtbarer Boden einen unschätzbbaren Wert hat. 

Mit dieser Verantwortung haben wir ein Grundstück so beplant, dass möglichst viele Menschen auf diesem Grundstück Platz finden könnten und es für die zukünftige Entwicklung noch viel Spielraum gibt. Das Gebäude für eine junge Familie positioniert sich daher möglichst weit rechts auf dem Grundstück, um möglichst viel unbebaute Fläche frei zu halten. Dies ermöglicht es in Zukunft auf demselben Grundstück noch ein zweites, etwas kleineres Haus zu bauen, um somit einen nachhaltigen, ressourcenschonenden Umgang mit dem Boden zu finden.

Hier liegt die eigentliche Herausforderung dieses Projektes mit diesem kleinen Grundriss hohe Wohnqualität im und um das Gebäude drum herum zu erzeugen, Ressourcen zu sparen und die Kosten niedrig zu halten. Daher entwickelt sich das Haus auch in die Höhe und nutzt die im Bauplan vorgegebene maximale Firsthöhe ganz aus. Das Haus besteht daher auch aus einem einfachen Gebäudevolumen mit Satteldach, welches keine Vor- oder Rücksprünge hat. Das Haus ist somit ganz einfach gehalten und erzeugt keine grosse Gebäude-Aussenfläche, was den Energieverbrauch auf ein Minimum senkt.

Sozusagen ein Gegenentwurf zu der ausufernden Beliebigkeit der Einfamilienhäuser rundherum, wo die Dringlichkeit der heutigen Energiekrise noch nicht angekommen scheint. Diese Häuser sind selten gut gestaltet und sind ein reines Abbild der Bauwirtschaft, die weiterhin den Status Quo zementiert um schnelles Geld zu verdienen.

Rundlauf Innen und Aussen

Das Haus hat Innen wie Aussen einen Rundlauf, welches die Räume grosszügig und vielfältig in der Wahrnehmung und der Nutzung macht. Die Garage, als kalte unbeheizte Konstruktion, ist davon losgelöst und positioniert sich ganz im Eck des Grundstückes. Sie  versteht sich als Teil der Hecke, als Teil der Grundstücks-Einfassung, welche sich Richtung Norden und Westen zu den Nachparzellen hin abgrenzt und Sichtschutz bietet. 

Es gibt einen Hof, der als Eingang ins Gebäude und in die Garage dient, eine grosse Wiese mit Blumen und einen Hinterhof, der Zugang zur Garage, Fahrradraum und Müllraum bietet. 

Schnitt A-A, Situation und Erdgeschoss

Die Räume des Hauses sind einfach und klar und lässt eine vielfältige Möblierung für verschiedene Veranstaltungen und Lebenssituationen zu. Der Eingang ist über die Einfahrt, den Hof zugänglich. Eine Bank im Eingang lädt zum sitzen vor dem Haus ein. Der grosse Wohn- und Essraum, das Herzstück des Hauses, ist aufs Grundstück auf die Wiese in Richtung Westen ausgerichtet.

Das erste Obergeschoss beinhaltet zwei Kinderzimmer, Bad und Elternzimmer. Das zweite Obergeschoss wird ebenfalls voll ausgenutzt und bietet zwei Arbeitsplätze für Homeoffice, welches ebenfalls als Gästezimmer und Lager genutzt werden kann.

Die Treppe ins 2. OG hat einen kleinen Luftraum, der die Kommunikation stärker fördert und das 1-. und 2. Obergeschoss stärker miteinander verbindet.

1. und 2. Obergeschoss

Sämtliche Fenster sind aus Lärchenholz und haben Stoffstoren für den sommerlichen Wärmeschutz. Die grossen Storen auf den Terrasse bieten im Sommer hohe Aufenthaltsqualität, bieten Verschattung gegen die heisse Sommersonne und bilden eine schöne Willkommensgeste im Eingang. Die rötliche Farbe dieser Storen ist eine Referenz an die alten umliegenden Häuser aus Ziegelstein und tritt mit diesen in einen Dialog.

Die Garage ist minimal gehalten und bietet nur einen Stellplatz für einen PKW. Somit kann auf die zukünftig unsichere Entwicklung der Mobilität reagiert werden und die Garage ggf. auch weiter ausgebaut oder umgenutzt werden. Ebenso bietet die Garage reichlich Stauraum, und nimmt die Fahrräder und Müllräume auf.

An der Strasse gibt es einen Grünspickel mit einem Baum, der zum öffentlichen Raum der Srtasse gehört. Dieser Mini-Raum muss seitens Inhaber der Parzelle mitgepflegt werden und bietet daher die Chance eines Mikro-Treffpunktes für die Nachbarschaft. Eine Bank unter dem Baum bietet Sitzgelgenheit und Verschattung, um zu verweilen und sich auszutauschen.

Nachhaltigkeit

Anfangs haben wir eine Fassade in rotem Ziegelstein gedacht, da dieses Material in der Region vorherrschend ist und ortstypisch ist. Dieses Material ist aufgrund der Energiekrise aber seltener verfügbar und teilweise gar nicht mehr erhältlich, da einige Fabriken in der Region gar nicht mehr produzieren, da die Brennöfen mit Gas befeuert werden und dies sehr teuer geworden ist und Firmen teilweise Konkurs gegangen sind.

Daher haben wir das Gebäude gesamtheitlich und ganz in Holz konstruiert, um auf teuren und mit hoher Energie erzeugten Ziegelstein verzichten zu können. Daher ist nicht nur die ganze Konstruktion und die Fassade, sondern auch das Dach aus Holz gemacht. 

Der Entwurf dieses Hauses ist ganzheitlich nachhaltig konzipiert und geht ressourcenschonend mit dem Boden um. Der Bau des Haus auf kleinster Fläche ermöglicht es in Zukunft noch ein 2. Haus zu bauen Die Szenarios dazu könnten wie folgt aussehen:

Jahr 2023

Das Haus bietet für 2 Erwachsene und 2 Kinder Platz. Eine grosser Garten bietet maximalen Freiraum, der Rundlauf Innen wie Aussen lässt die Räume grosszügig erscheinen. Im Sommer wird das ganze Grundstück genutzt, im Winter zieht man sich stärker ins Haus zurück. Daher spielt die Qualität und die Nutzung der Aussen- in Bezug auf die Innenräume eine sehr wichtige Rolle, da diese bei guten Wetter intensiv genutzt werden können. Die Terrasse wird hier als erweiterter Wohn- und Essraum gesehen.

Jahr 2033

Das Haus kann im Erdgeschoss zu einer altersgerechten Wohnung für 2 Personen umgebaut werden. Das bestehende Bad wird dazu vergrössert und rollstuhlgängig gemacht. Die oberen beiden Etagen können zu einer eigenständigen Wohnung umgebaut werden. Die zwei Kinderzimmer werden zum Wohn- und Essbereich zusammengelegt und umgebaut, wo eine Küche Platz hat. Die Zimmer im 2. OG können zusätzlich abgetrennt werden, so dass hier ein Kinderzimmer entstehen kann. 

Eine kleine Familie mit einem Kind oder eine Wohngemeinschaft mit 3 Personen können hier ebenfalls wohnen und leben. Ein gemeinschaftliches Wohnen, wo Synergien zwischen Alt und Jung genutzt werden können, ist hier gut möglich, wünschenswert und in Zukunft immer mehr sinnvoll.

Jahr 2043

Es kann ein zweites Haus auf dem Grundstück realisiert werden, welches altersgerecht konzipiert für ein Pärchen Platz bietet. Die Haustechnik im bestehenden, grösseren Haus könnte hier das neue Haus beheizen und infrastrukturell versorgen. Das bestehende Haus bietet weiterhin für 2 Erwachsene und 2 Kinder Platz. 

Ebenfalls wie in dem Szenario 2043 wäre ein gemeinschaftliches Wohnen sehr schön, ein nachbarschaftliches neben- und miteinander. Eine Art Gehöft von 2 Gebäuden mit zentralem, gemeinschaftlich genutztem Aussenraum. Schwarz = Bestand, Rot = Neu, Gelb = Rückbau

 

Boden Wand Decke

Das Haus lässt sich durch die Konstruktionsbauweise sehr schnell auf- und auch wieder abbauen, da kein Beton-Fundament benötigt wird, welches längere Zeit austrocknen muss. Sämtliche Decken und Wände lassen sich im Werk vorfertigen, welches die Bauzeit vor Ort auf ein Minimum reduziert. Die Fundamente bestehen aus Metall-Schraubdübeln, die man einfach in den Boden schrauben und ebenfalls wieder gut herausschrauben kann. 

Die Bodenplatte aus Mehrschicht-Brettsperrholz nimmt das ganze Gewicht des Gebäude auf und leitet es über eine Sand- und Kieskoffer-Schicht in den Boden. Die 4 Seitenwände sind darauf aufgesetzt. Diese bestehen aus einer leichten, mit Isoflock ausgedämmten Holzständer-Konstruktion, ebenso wie das Dach.  Sämtliche Oberflächen der Innenwände sind in einer 3 Schichtplatte aus Tanne/Fichte, die den Innenräumen einen starken hölzernen Charakter verleihen.

Die Decke des EG`s ist aus einer Balkenlage, welche nur eine Stütze in der Mitte hat. Diese überspannen den Hauptwohnraum im EG, welcher das Herzstück des Hauses ist. Der Raum ist dadurch höher als in den oberen Räumen, da der Raum durch die Balken bis zur Mehrschichtplatte erlebbar wird. Sämtliche anderen Wände sind aus Leichtbau-Holzständer-Wänden konstruiert und nicht statisch tragend. Diese können für einen späteren Umbau gut rück- und umgebaut werden.

Dieser ganzheitliche Ansatz, das Haus auch wieder in alle Bestandteile zerlegen können, hinterlässt der nächsten Generation gut weiterzuverwendende Bauteile und geht nachhaltig mit unseren zunehmend knapper werdenden Ressourcen um. Auf Kleber und Leim wird weitestgehend verzichtet, die Einzelteile werden zur besseren Rück- und Reparierbarkeit hauptsächlich miteinander verschraubt. 

Sämtliche Räume haben daher auch Holz im Innenraum an Boden, Wänden und Decken. Holz reduziert nachweislich den Herzschlag des Menschen und trägt zu einem guten und gesundheitlichen Raumklima bei. Holz kann gut Feuchtigkeit aufnehmen und auch wieder abgeben. An den Wänden lassen sich gut Gegenstände befestigen und sind daher im Alltagsgebrauch sehr dankbar.

Der Fussboden im Erdgeschoss ist wegen des hohen Nutzungsdruckes aus Eichenparkett. Die Fussböden in den oberen Geschossen sind nur aus geseifter 3-Schicht-Platte. Dies hält die Kosten tief und macht die Räume intimer und feiner. Auch die Küche besteht aus dieser Mehrschichtplatte, die Arbeitsflächen sind aus CNS-Stahl-Blech.

Die Garage ist ebenfalls aus einfachen Holz-Balken konstruiert, welche mit Holzlatten beplankt werden. Das Flachdach der Garage wird mit einer extensiven Gräsermischung begrünt und bietet zusätzlich Biodiversität und Kühlung für die Umgebung. Die Bäume im Garten binden zusätzlich CO2 und machen in diesem Zusammenhang bei zunehmender Zeit das Gebäude immer CO2-ärmer, je grösser die Bäume werden.

Das gesamt Gebäude hat ca. 1/5 weniger Gebäudevolumen als ein herkömmlich geplantes Haus, wie es derzeit Fertighausfirmen anbieten. Somit wird versucht dem steigenden Mietzins Rechnung zu tragen und das Haus so klein und effizient wie möglich zu halten.

Modell 1:200 aus schwarzem MDF und Styrodor.

Gebäude-Ensemble mit 2. Haus und Gemeinschaftsgarten im nachverdichtetem Zustand.

 

 

 

Der Entwurfsprozess

Eine intensive, sehr umfangreiche Nutzung- und Volumenstudie ging dem Entwurfsprozess voraus, wo die beste Position des Gebäudes evaluiert wurde. Dieser hat durch viele Formen und Volumen geführt, von einem einfachen Haus, Doppelhaus, mit Einliegerwohnung bis hin zu einem Mehrfamilienhaus.

 

Sehr spannend wäre der Ansatz gewesen ein Haus zu planen, welches sich nur auf die zu erwartende Hochwasserproblematik bezieht, wobei das gesamte Gebiet bis 2050 bis zu 1m unter Wasser stehen könnte. Jenachdem wie hoch der Meeresspiegel in den kommenden Jahrzehnten ansteigen würden und die Schutzmassnahemn dafür (Dämme) dem nicht standhalten könnten. Vielleicht eine Art Hausboot, welches sich anhebt, wenn das Wasser kommt.